Quellen und Grenzen lebensweltlicher Vorstellungen vom Tod
In Jassen Andreev, Emil Lensky & Paula Angelova,
Das Interpretative Universum. Würzburg: Konigshausen & Neumann. pp. 415-439 (
2017)
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Abstract
Als erstes charakterisiere ich den historischen Wandel, der den modernen lebensweltlichen Verständnisweisen des Todes vorausliegt - und zwar im Hinblick auf die Rolle der Wissenschaften in diesem Prozess (Abschnitt 1). Insofern Verdrängung und Bewusstsein des Todes als Entwicklungstendenzen heute einander gegenüberstehen, resultiert für die Zukunft eine Entwicklungsoffenheit, die die Möglichkeit von Prognosen zum Verhältnis von lebensweltlicher und wissenschaftlicher Thematisierung des Todes erheblich einschränkt. Insofern aber die Verdrängung gegenüber dem Bewusstsein des Todes dominiert, ergibt sich der Hinweis für einen veränderten Begriff der Lebenswelt, auf den ich anschließend eingehe. Den neuen Begriff bestimme ich im Rückgriff auf die Lebensweltkonzeptionen von Edmund Husserl und Alfred Schütz. Sie gestatten es, die Randständigkeit der Erfahrung des Todes als Ausdruck der Spannung von dominanter Verdrängung und fortbestehenden Quellen des Todesbewusstseins zu charakterisieren (Abschnitt 2). Diese Ambivalenz gehört auch zu den Kennzeichen des Todesbegriffes von Martin Heidegger, der die wohl einflussreichste systematische These zum nichtwissenschaftlichen Ursprung der lebensweltlichen Vorstellungen vom Tod formuliert hat. Der kritischen Diskussion seines Todesbegriffes lassen sich allerdings nur noch die Jemeinigkeit und die Gewissheit als weitere Kennzeichen des Todes entnehmen, deren lebensweltlicher Ursprung sich rechtfertigen lässt (Abschnitt 3). Zusätzliche Hinweise auf Quellen und Grenzen lebensweltlicher Todesvorstellungen finden sich in Edmund Husserls Reflexionen zum Tod, die ich abschließend exemplarisch diskutiere (Abschnitt 4).