Abstract
In der Einleitung zu Kerstings und Essers Target-Artikel fällt ein Stichwort, das mir in mehrfacher Hinsicht für den gegenwärtigen Stand des Nachdenkens über Sterben und Tod bezeichnend zu sein scheint: Pluralisierung der Todesbilder. Pluralisierung ist eine Herausforderung für jede einzelne der drei Fragestellungen des Artikels. In Bezug auf den Todesbegriff stellt sich die Frage, ob es einen – und nur einen – verbindlichen Begriff des Todes geben kann oder sollte; in Bezug auf das Verständnis des Todes als anthropologisches Grunddatum stellt sich die Frage, ob es eine – und nur eine – gültige sinnverleihende Interpretation des Phänomen des Todes geben kann oder sollte; hinsichtlich des praktischen Umgangs mit dem Tod – dem eigenen wie dem anderer – stellt sich die Frage, ob sich bei aller kulturellen Diversität ein Katalog von basalen Normen findet, für den sich Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen lässt. Wie viel Pluralismus ist notwendig, um der faktischen Vielfalt gerecht zu werden? Wie viel ist möglich, ohne Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit heraufzubeschwören? Die Antworten der Autoren zeigen, dass sie in der Zulassung von Pluralismus zumeist das rechte Maß finden. Bei einigen scheinen sie mir allerdings zu weit zu gehen, bei anderen wiederum zu wenig weit.