Abstract
Die aktuellen Krisensymptome, die von verschiedenen Autorinnen und Autoren seit mehreren Jahren unter dem Begriff »Postdemokratie« subsumiert und diskutiert werden und die u. a. die Hegemonie der ökonomischen Interessen von Großkonzernen und Lobbyisten, die Fassadenhaftigkeit der vorhandenen demokratischen Institutionen, die politische Apathie der Bürger und die allgemeine Korruption der politischen Öffentlichkeit anprangern, bezeichnen allesamt Themen, die bereits bei der Lektüre von Tocquevilles Werken begegnen. Schon De la démocratie en Amérique entlarvt das Prinzip der Volkssouveränität sowie die sporadisch durchgeführten demokratischen Wahlen gegebenenfalls als bloße Alibiveranstaltungen, die für sich genommen keine reale Gestaltungsmacht des Volkes indizieren, solange sie nicht von einer lebendigen politischen Kultur, dem sozialen Engagement der Bürger sowie ihrer substantiellen Partizipation an demokratischen Entscheidungsprozessen begleitet warden. Folgerichtig wurde Tocqueville von verschiedener Seite als Stichwortgeber des ›Postdemokratischen‹ avant la lettre identifiziert.