Abstract
Jacques Rancière unterhält einen interessanten wie eigentümlichen Demokratiebegriff, dessen Erschließung eine mehrfache Herausforderung darstellt. Sein Ausgangspunkt ist ein Paradox: Die Demokratie steht nicht im Gegensatz zu etwas anderem, sondern zu sich selbst – als vermeintlich ‚gute demokratische Regierung‘, die das angebliche ‚Übel des demokratischen Lebens‘ ordnen und beherrschen muss. Um diese Eigentümlichkeit zu ergründen, wird zunächst das ungewöhnliche Motiv des ‚Hasses der Demokratie‘ behandelt, das einen Schlüssel zu Rancières Verständnis darstellt. Sodann wird das Verhältnis zu Rancières vielleicht emphatischsten Begriff, der Gleichheit, geklärt. Daraufhin wird der implizite Begriff der radikalen Demokratie beleuchtet und eingeordnet, indem er extern von der Postdemokratie abgegrenzt und intern in postmarxistische, neo-athenische und anarchistische Lesarten unterteilt wird. Schließlich wird der Zusammenhang der Demokratie zu ‚der Politik‘ und ‚dem Politischen‘ hergestellt, was in der Diskussion mündet, ob nicht eines oder mehrere dieser Konzepte überflüssig sind, da sie offenbar ineinander aufgehen. Die aus alledem zu ziehende Konklusion gibt Aufschluss darüber, wie es in Demokratiefragen um Rancières Hass und um seine Liebe bestellt ist, und wo sich beides unentwirrbar zu verknüpfen scheint.