imputabilitas als Merkmal des Moralischen. Die Diskussion bei Duns Scotus und Wilhelm von Ockham
Abstract
John Duns Scotus deals with a question which is still of importance for modern ethical debate, namely what is the difference between a good deed which is intended but may be hindered by the circumstances and a good deed which is both intended and consummated? Scotus discusses this issue in connection with the question of whether moral goodness or badness can be assigned to the external act, which depends on physical capability. In his investigation, he determines that the imputability of acts, i.e. the fact that the actor had free power of disposition over them, is a criterion for being able to morally qualify them as good or bad. His conclusion that one can clearly attribute the external act with its own moral good or evil is primarily based on his definition of the moral good as the totality of circumstances necessary according to right reason for a good act. William of Ockham expressly rejects Doctor Subtilis' conclusion and relativizes his criterion of moral goodness to the point of meaninglessness. Ockham attributes the moral good or evil of an act almost exclusively to the actor's intention. He explains the moral significance attributable to the actual consummation of an intentional action in terms of the acts of will occurring during and after consummation, which can be morally judged in their own right. He does admit, however, that a judgment made by mortals is based on criteria different from those relevant in the eyes of God. Today, the particularly interesting aspect of this debate seems to be that a moral conception similar to Kant's is confronted with a position that can still be called Aristotelian, albeit with some Augustinian influence. Yet the perceivable theoretical proximity between these two authors could indicate a possible connection between two of the most important ethical concepts in the history of occidental philosophy. Die auch für moderne Ethikkonzepte nicht unwichtige Frage, worin der moralische Unterschied zwischen einer nur gewollten, aber durch die Umstände verhinderten und einer ausgeführten guten Tat liegt, wird von Johannes Duns Scotus im Zusammenhang mit der Frage bearbeitet, ob dem äußeren, auf körperliche Vermögen angewiesenen Akt eine eigene moralische Güte oder Schlechtigkeit zukommt. Bei seiner Untersuchung ermittelt er als Kriterium für die moralische Qualifizierbarkeit in die eine oder andere Richtung die Zurechenbarkeit von Handlungen, d.h. den Umstand, daß sie in der freien Verfügungsgewalt des Handelnden stehen. Das Resultat seiner Überlegungen, daß nämlich der äußeren Handlung sehr wohl eine eigene moralische Güte oder Schlechtigkeit zugesprochen werden kann, basiert wesentlich auf seiner Definition der moralischen Güte als Gesamtheit der gemäß der rechten Vernunft für eine gute Handlung erforderlichen Umstände. Wilhelm von Ockham weist das Resultat des Doctor Subtilis ausdrücklich zurück und relativiert dessen Kriterium moralischer Güte bis zur weitgehenden Bedeutungslosigkeit. Er führt die moralische Güte oder Schlechtigkeit eines Aktes ausschließlich auf die Intentionen des Handelnden zurück und erklärt die eigene moralische Bedeutung, die der Ausführung einer willentlichen Handlung zukommt, durch die während und nach der Ausführung stattfindenden Willensakte, die ihrerseits moralischer Beurteilung unterliegen. Allerdings gesteht er zu, daß die Beurteilung durch die irdische Gerichtsbarkeit z.T. anderen Gesichtspunkten folgt als die vor den Augen Gottes. Heute scheint an dieser Debatte vor allem der Umstand interessant, daß eine der kantischen nicht unähnliche Moralkonzeption mit einer trotz aller augustinischen Einfüsse noch aristotelischen Position konfrontiert wird. Die dennoch feststellbare theoretische Nähe beider Autoren könnte Hinweise für eine mögliche Verknüpfung dieser beiden wohl wichtisten Ethikkonzepte der abendländischen Philosophiegeschichte geben