Der Vorrang des Pflichtbegriffs in kollektiven Kontexten

Zeitschrift für Praktische Philosophie 2 (2):87-120 (2015)
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Abstract

Obgleich die Ausdrücke ‚moralische Pflicht’ und ‚moralische Verantwortung’ auf den ersten Blick nahezu austauschbar scheinen, ist in einigen Debatten dennoch fast ausschließlich von moralischer Verantwortung die Rede. Dies gilt insbesondere für die moralische Beurteilung von individuellen Handlungen in kollektiven Kontexten. Hier scheint die Rede von einer ‚kollektiven Verantwortung‘ besonders attraktiv zu sein. In diesem Aufsatz setze ich mich diesem Trend entgegen und argumentiere dafür, dem Pflichtbegriff in kollektiven Kontexten gegenüber dem Begriff der Verantwortung den Vorrang zu geben. Mein Fokus liegt hierbei auf einer bestimmten Art von Handlungen in kollektiven Kontexten, nämlich auf Handlungen in sogenannten Aggregatkollektiven. Von Aggregatkollektiven verursachte Schäden sind häufig kumulative Schäden, bei denen die Handlungen der Mitglieder eines Aggregatkollektivs einzeln betrachtet keinen merklichen Unterschied für das Auftreten des Schadens machen. Die Rede von Verantwortung legt ein Haftbarkeitsmodell moralischer Verantwortung nahe, welches sich in Bezug auf Handlungen in Aggregatkollektiven als problematisch erweist. Ich zeige, dass Kants Konzeption unvollkommener Pflichten eine vielversprechende Alternative zu dem kausal gefärbten Begriff der moralischen Verantwortung darstellt. Durch den Spielraum, den unvollkommene Pflichten Akteuren lassen, bieten sie eine ähnliche Offenheit wie der Begriff der moralischen Verantwortung. Anders als die Zuschreibung von Verantwortung vermeidet die Rede von unvollkommenen Pflichten jedoch die in kollektiven Kontexten oft inadäquate und kontraproduktive Assoziation von Haftung und Schuld.

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Maike Albertzart
Johannes Gutenberg University Mainz

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