Anhand einer klinischen Vignette wird ausgeführt, dass das psychoanalytische Geschehen sich in mehreren Dimensionen entfaltet. Drei solcher Dimensionen – als Bedeutung (Erkenntnis), Berührung (Kontakt) und Bewegung (Ereignis) bezeichnet – werden beschrieben und deren dimensionale Charakteristik auf die Sinnesqualitäten des Sehens, des Berührungssinnes und des Hörens bezogen. Es wird gezeigt, dass sie Raum und Zeit auf je eigene Weise konstituieren und somit einander inkommensurable, durch keine logische oder dialektische Operation in eine Einheit überführbare Aprioritäten darstellen. Mit deren Unvereinbarkeit ist auch auf (...) Grenzen theoretisch-begrifflicher Bemächtigung verwiesen, womit die Frage nach der Reichweite metapsychologischer Begriffe, etwa des Begriffs des Unbewussten, aufgeworfen ist. Von hier aus wird in einem Ausblick nach der Begegnung als organisierendem Phantasma der analytischen Situation gefragt und – auf dem Weg einer Erörterung des Begegnungsbegriffs bei Martin Buber – versucht, Begegnung dimensional näher zu bestimmen. (shrink)

Vorgestellt wird der Versuch, »Jenseits des Lustprinzips« als Dokument einer Diskontinuität zu lesen. Als Vorarbeit hierzu entfaltet der Autor verschiedene Dimensionen, in und zwischen denen sich der Text bewegt, und arbeitet in ihnen aufkommende Disparitäten sowie Fragen heraus, die der Text stellt, indem er sie verhüllt. Leithypothese der Interpretation ist, dass der Text als ganzer Ausdruck, aber auch beginnende Auslegung und Entstellung eines undenkbaren »Gedankens« (des »Todesgedankens«) ist, auf den er zuläuft und vor dem er ausweicht, und dass das Todestriebkonzept (...) bereits eine defensive Ausarbeitung dieses »Gedankens« darstellt. (shrink)

This article is the editors’ introduction to the transcript of a lecture that Harold Garfinkel delivered to a seminar in 1993. Garfinkel extensively discusses the relevance of Aron Gurwitsch’s phenomenological treatment of Gestalt theory for ethnomethodology. Garfinkel uses the term “misreading” to signal a respecification of Gurwitsch’s phenomenological investigations, and particularly his conceptions of contextures, functional significations, and phenomenal fields, so that they become compatible with detailed observations and descriptions of social actions and interactions performed in situ. Garfinkel begins with (...) Gurwitsch’s demonstrations with line drawings and other abstract examples, and suggests how they can be used to suggest original procedures for investigating the vicissitudes of embodied practical actions in the lifeworld. This introduction to the lecture aims to provide some background on the scope of Gurwitsch’s phenomenological critique and elaboration of Gestalt theory and Garfinkel’s “misreading” of it in terms of his own conceptions of indexicality and accountability, and ethnomethodological investigations of the production of social order. (shrink)

[Text is in German] Unsere Gegenwart scheint mehr und mehr Umbruechen zu unterliegen. Eine Innovation folgt der naechsten, Traditionen gelten schnell als ueberholt, moderne Trends werden altmodisch. Dieser permanente Wandel verlaeuft in unserer Wahrnehmung immer rasanter. Auch bei einem Blick in die Vergangenheit scheinen Umbrueche, neue Ideen und Erfindungen zu ueberwiegen und in staendigen Wertverschiebungen zu resultieren. Aber was ist mit den bestaendigen Dingen? Nicht nur Veraenderungen schaffen Werte, sondern auch Bestaendigkeit. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, welche Werte (...) durch Kontinuitaet entstehen, sondern auch welche Werte sie bedingen. Traditionen sind identitaetsstiftend. Sie gehoeren zum kulturellen Gedaechtnis, bilden oftmals eine Basis fuer Innovationen und haben dadurch eine eigene Bedeutung im Hinblick auf Veraenderungen. Kontinuitaeten zu erkennen, ist in einer Welt im stetigen Wandel ein schwieriges Unterfangen und auch im Rueckblick nicht unproblematisch, vor allem wenn die Akteure selbst nicht mehr zu sprechen sind. Aber ein Blick auf die materielle Kultur erlaubt Aufschluesse ueber Bestaendigkeit. Von Menschen gefertigte Objekte sind Traditionstraeger, sie beherbergen die Ideen und Wertvorstellungen ihrer Gestalter und bleiben ueber Zeit und Raum hinweg erhalten. The Limits of Change umfasst Beitraege aus Archaeologie, Philosophie und Ethnologie, die sich auf unterschiedliche Weise mit der Thematik der Kontinuitaet auseinandersetzen und den Sachverhalt kritisch beleuchten. So wird zum einen der Blick in die Vergangenheit gerichtet und auf Basis archaeologischer ueberlieferungen das Thema untersucht. Zum anderen liefert die Diskussion zeitgenoessischer und globaler Sachverhalte wichtige Hinweise im Hinblick auf Kontinuitaet und Tradition. So wird beispielsweise diskutiert, welche Arten von Kontinuitaeten sich in heutigen Gesellschaften finden und wodurch sich diese auszeichnen bzw. sichtbar werden. Ferner wird die Frage gestellt, ob Tradition als kulturelles Marketing im Hinblick auf Tourismus genutzt werden kann. Mit Beitraegen von Torsten Bendschus, Arthur Depner, Stefan Eisenhofer, Martin Hensler, Elwira Janus, Thomas Knopf, Beate Loeffler, Bonka Nedeltscheva, Ton Otto, Laura Picht, Elnaz Rashidian und Geraldine Schmitz. (shrink)

Das Werk "Metaphysicae systema methodicum" des Steinfurter Gymnasialprofessors Clemens Timpler (1563/64-1618) war, als es 1604 erstmals erschien, das erste Lehrbuch der Metaphysik aus protestantischer Feder und schon damit vor allem in Form und Stil, aber auch dem Inhalt nach wegweisend für die gesamte deutsche Schulphilosophie. Fest verwurzelt in der Tradition des Aristoteles und seiner thomistischen Auslegung und in stetem Bezug auf Suarez' seinerzeit gerade erschienene "Disputationes metaphysicae", entwickelt Timpler eine Lehre von erstaunlicher Eigenständigkeit, die akademisch umfassend rezipiert und intensiv (...) diskutiert wurde. Es ist davon auszugehen, dass sie auch Wolff nicht unbekannt gewesen sein wird, insbesondere wenn man etwa Timplers Bestimmungen der Philosophie und der Metaphysik, der Modalitäten und der Willensfreiheit betrachtet. The Metaphysicae systema methodicum by the Steinfurt professor Clemens Timpler (1563/4-1618) was, when it first appeared in 1604, the first textbook of metaphysics by a Protestant author, and was thus already a groundbreaking work of German academic philosophy, primarily in form and style but also in content. Firmly rooted in the tradition of Aristotle and the thomistic interpretation of his works, and making constant reference to Suarez’s recently-published Disputationes metaphysicae, Timpler developed a theory of astonishing originality, which was widely absorbed and intensively discussed in academic circles. It follows that the work would not have been unknown to Wolff, especially in view of Timpler’s designations of philosophy and metaphysics, modalities and freedom of will. (shrink)

The influence of movement skill on action representations and identification of agency was investigated. Point-light displays were created of highly skilled gestures of thirteen orchestral conductors in visual, auditory, and audiovisual versions and compared to two control conditions . In subsequent experimental sessions, participants indicated whether displays presented them or other conductors, whether the soundtrack contained their or others’ musical interpretations, and rated the quality and emotional content of the gestures. Self-recognition was more accurate in conditions presenting highly skilled conducting (...) movements as compared to other displays. Participants judged the quality of their own movements to be better than those of others, independently of whether or not they recognized movement agency. Emotional content was perceived accurately across conditions both for own and others’ actions. These results point to the influence of dynamical characteristics of motor skill, rather than merely type of movement or emotional content, on action representations and self-other identification. (shrink)

It has always been a mantra of Habsburg history that Austria-Hungary never had colonies. This article investigates why Bosnia-Herzegovina can be regarded as such indeed, developing a check list of factors from critical colonial history, showing that it is a Eurocentric view actually that prevents us from recognizing colonialism on European soil.

Gegenwartig vorherrschenden tierethischen Diskursen wird ein theologisch eigenstandiges, verantwortungsethisches Konzept entgegengestellt, das einen Richtungswechsel intendiert: Die Frage stellt sich dann nicht mehr nach der Personalitat des Tiers als Individuum, sondern nach Begrundungszusammenhangen und Moglichkeiten zum Erhalt von Biodiversitat. Ziel ist es somit, Bewahrung der Schopfung in dem Mass zu gestalten, dass Okosysteme und genetische Varianz in moglichst grosser Zahl erhalten bleiben. Anschliessend wird nach bereichsethischen Konkretionen gefragt und aufgezeigt, wie auf Grundlage des zuvor entwickelten Ansatzes eine Urteilsbildung in verschiedenen Konfliktsituationen (...) moglich ist. Abschliessend wird die Arbeit im grosseren kulturwissenschaftlichen Kontext des "Animal Turn" verortet. (shrink)

Hallucinatory states are experienced not only in connection with drugs and psychopathologies but occur naturally and spontaneously across the human circadian cycle: Our nightly dreams bring multimodal experiences in the absence of adequate external stimuli. The current study proposes a new, tighter measure of these hallucinatory states: Sleep onset, REM sleep, and non-REM sleep are shown to differ with regard to motor imagery indicating interactions with a rich imaginative world, and cognitive agency that could enable sleepers to recognize their hallucinatory (...) state. Mentation reports from the different states were analysed quantitatively with regard to two grammatical–semantic constructs, motor agency and cognitive agency. The present results support earlier physiological and psychological evidence in revealing a decline in cognitive functions and an increase in simulated interactions with a hallucinatory world, en route to normal REM sleep. This leads us to introduce the hypothesis that REM sleep, which exhibits remarkably high levels of sensorimotor processes, may have evolved to serve as a virtual laboratory for the development and rehearsal of embodied cognition. The new measure of hallucinatory states presented here may also hold implications for the study of executive functions and cognitions, which might be interesting, for example, for the investigation of lucid dreaming. (shrink)

In 1878, as a consequence of an international Balkan summit in Berlin, Austria–Hungary was given permission to occupy the troubled Ottoman provinces Bosnia and Hercegovina. A gory invasion campaign ensued, followed by four decades of civil administration. Finally, the territories were annexated by the Habsburg Monarchy in 1908 as an appendix of sorts, which almost caused the premature outbreak of a great war in Europe. This article will sketch the background for this last – and lethal – expansion of the (...) empire and pursue the research questions of (a) whether this constitutes a case of colonialism within Europe and (b) what its repercussions were, critically challenging the alleged ‘civilising mission’ that would legitimise the whole undertaking. (shrink)

A plethora of ethical issues in livestock agriculture has emerged to public attention in recent decades, of which environmental and animal welfare concerns are but two, albeit prominent, themes. For livestock agriculture to be considered sustainable, somehow these interconnected themes need to be addressed. Ethical debate on these issues has been extensive, but mostly started from and focused on single issues. The views of farmers in these debates have been largely absent, or merely figured as interests, instead of being considered (...) morally worthwhile themselves. In this paper the relevance for ethical debates of the ways farmers discuss and engage with moral concerns is explored. The variety of norms that figure in contemporary farming practices is sketched in its multifarious complexity, illustrated by ethnographic fieldwork, and systematized in terms of “orders of worth.” Reviewing the practical arguments and commitments of farmers within this framework reveals that farming practices are subject to mixed motives, in which an amalgam of types of concerns play a role. Recognition of the peculiarly entangled nature of the ethics of farming practices could counter the tendency in policy making, technological innovation, and ethical thought to compartmentalize our moral landscape. Understanding farming practice as the integration of a mosaic of concerns in the light of a variety of moral experiences would foster public appreciation of positions of farmers in debates on improving the sustainability and societal acceptability of livestock agriculture. (shrink)

This paper studies the influence of agency conflicts on the irreversibility effect. Using a dynamic variant of the static Baron and Myerson :911–930, 1982) adverse selection model, we characterize under which circumstances the irreversibility effect arises in the presence and absence of an agency conflict. In particular, we find that in the presence of an agency conflict the irreversibility effect arises in more circumstances than in the standard first-best analysis that abstracts from agency problems.

Der Beitrag fragt nach den historischen Bedingungen heutiger Einstellungen zum Bereich des Privaten, zeichnet insbesondere die Entstehung des europäischen autonomen Subjekts nach und formuliert die These, dass dessen gesellschaftliche Konstitution den Einzelnen mit einer unerfüllbaren Forderung nach Einheit und Allgemeinheit überfordert, wodurch er zu einem Wesen wird, das etwas zu verbergen hat. Deswegen muss ihm ein Raum des Geheimen zugebilligt werden, der jedoch unweigerlich zum Gegenstand der Erforschung wird. Die Psychoanalyse hat daran einen besonderen Anteil, weil sie durch die Grundregel (...) das Verbergen aufhebt und damit die Konstitution des individuellen Subjekts, die sie doch zu fördern verspricht, zugleich untergräbt. Dies führt zu der paradoxen Erkenntnis, dass Psychoanalyse nur unter dem Schutz absoluter Vertraulichkeit möglich ist, strikt eingehaltene absolute Vertraulichkeit aber gleichzeitig die Psychoanalyse als Praxis unmöglich macht. (shrink)

Anhand des Begriffspaars »Intuition« und »Konstruktion« wird diskutiert, mit welchen Begriffen von Wahrheit die Psychoanalyse operiert, und es wird dargelegt, dass der Psychoanalyse ein eigener Platz in der Geschichte der Wahrheit (d.h. dessen, was uns als Wahrheit gilt) zukommt. Den Raum für diese Erörterung des Wahrheitsbegriffs eröffnet die Spiegelung in einigen Äußerungen von Friedrich Nietzsche, der als einer der ersten Philosophen den Zusammenhang von Wahrheit und Repräsentation erkannt und kritisiert habe. Dies führt zu der These, dass in Freuds Rede vom (...) Psychischen eine im Empirisch-Biologischen verwurzelte Idee des psychischen Apparats mit einer transzendentalen Idee des repräsentationalen Raums interferiert. Illustriert durch eine klinische Erfahrung wird vorgeschlagen, den repräsentationalen Formen von Wahrheit eine nicht repräsentationale Wahrheit des »Jetzt« gegenüberzustellen, die erstere als Fiktionen und Abstraktionen erscheinen lässt. (shrink)