Psyche 78 (4):289-318 (
2024)
Copy
BIBTEX
Abstract
Anhand des Begriffspaars »Intuition« und »Konstruktion« wird diskutiert, mit welchen Begriffen von Wahrheit die Psychoanalyse operiert, und es wird dargelegt, dass der Psychoanalyse ein eigener Platz in der Geschichte der Wahrheit (d.h. dessen, was uns als Wahrheit gilt) zukommt. Den Raum für diese Erörterung des Wahrheitsbegriffs eröffnet die Spiegelung in einigen Äußerungen von Friedrich Nietzsche, der als einer der ersten Philosophen den Zusammenhang von Wahrheit und Repräsentation erkannt und kritisiert habe. Dies führt zu der These, dass in Freuds Rede vom Psychischen eine im Empirisch-Biologischen verwurzelte Idee des psychischen Apparats mit einer transzendentalen Idee des repräsentationalen Raums interferiert. Illustriert durch eine klinische Erfahrung wird vorgeschlagen, den repräsentationalen Formen von Wahrheit eine nicht repräsentationale Wahrheit des »Jetzt« gegenüberzustellen, die erstere als Fiktionen und Abstraktionen erscheinen lässt.