Verlag Vittorio Klostermann (
1997)
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Abstract
Die Abhandlung zeigt, dass Hegels Untersuchung der Wahrnehmung in der Phanomenologie des Geistes eine subtile und tiefgreifende Kritik entwickelt an dem systematisch wichtigen Abschnitt von Humes Traktat Vom Skeptizismus in Bezug auf die Sinne (I,iv 2), in dem Hume den Begriff der Ding-Identitat untersucht. Hume und ihm folgend Hegel beschaftigten sich mit basalen Fragen der Wahrnehmungssynthesis und des Begriffs der Substanz viel grundlicher als ihre (aber nicht nur ihre) Zeitgenossen (einschliesslich Kant): Wie ist eine gegebene Menge von Qualitaten in der Wahrnehmung eines Gegenstandes zusammenzubringen? Und: Durch was fur einen Begriff eines Gegenstandes lassen sie sich so vereinheitlichen? (Diese Fragen tauchen in der heutigen Neurophysiologie der Wahrnehmung als das bis jetzt ungeloste Bindungsproblem auf.) Hegel zeigt u.a., dass der Begriff der Ding-Identitat die zwei entgegengesetzten Teilbegriffe Einheit und Verschiedenheit einschliesst, ohne sich auf diese bloss quantitativen Begriffe reduzieren zu lassen; dass demzufolge dieser Begriff (gegen Humes Begriffs-Empirismus) relativ a priori gilt; dass wir nur durch den Gebrauch eines solchen Begriffs Bewusstsein von Gegenstanden mit vielen Eigenschaften erlangen und dass insofern eine aktiv gedachte Erkenntnisweise durchaus in Einklang mit Common Sense-Realismus steht. Durch Bezugnahme auf Hume und den neuzeitlichen philosophischen Kontext der Problemlage Hegels ergibt sich zum ersten Mal eine befriedigende, vollstandige und philosophisch aufschlussreiche Rekonstruktion des Wahrnehmung-Kapitels.