Abstract
Die Stellungnahme des späten Schelling gegenüber Hegel kann in drei Thesen zusammengefasst werden. Erstens hat Hegel das Problem des „Anfanges” gestellt, aber nicht gelöst. Er denkt nicht genug „anfänglich”. Nachdem Hegel in der Phänomenologie dem jüngeren Schelling vorgeworfen hatte, dass sein Anfang „wie aus einer Pistole geschossen” wäre, zeigte der späte Schelling, dass im Systems Hegels der Beginn nicht „voraussetzungslos” war, so wie dieser behauptete. Das Sein als „unbestimmte Unmittelbarkeit”, womit in der Logik angefangen wird, setzt die ganze Bewegung bis zur Vollendung des Systems voraus. Hinter der Kritik, dass das Hegeische System sich im Kreise bewegt, versteckt sich die Frage nach der Vernunft, die durch Schelling nach Hegel wieder gestellt wird. Zweitens wirft Schelling Hegel vor, dass Gott als Begriff, und dass Begriff als Gort gedacht wird, und dass Gott damit gezwungenermassen in einem ewigen Prozess gefangen bleibt. Dies zeigt sich zum Beispiel im Problem des Ueberganges von der Logik zur Naturphilosophie. Auch Feuerbach und Marx haben auf diesen Punkt hingewiesen unter dem direkten Einfluss von Schelling. Schelling zeigt, dass Hegel sich notwendigerweise der Bilder und Vorstellungen aus der Religion bedienen müsse, um diesen Graben in seinem System zu Überbrücken. Und hierin liegt auch der dritte Punkt in Schellings Kritik an Hegel. Bei Hegel wird die Vorstellung durch den und im Begriff aufgehoben. Schelling aber zeigt, dass „der Gegensatz zwischen Vorstellung und Denken nicht zur Klarheit gelangt”. Was Hegel selbst über Aufhebung, Vorstellung und Begriff sagt, braucht notwendigerweise Metaphern. Bei ihm ist die höchste Form der Vorstellung die Sprache, aber diese wird im Denken aufgehoben durch den und im Begriff. Schelling weist nach, dass auch der Begriff und das Denken „sprachgebunden” sind. Auf diese Weise kann Schelling erneut die Frage nach der Vernunft stellen : „Warum ist Vernunft und nicht Unvernunft ?”