Abstract
Eine philosophische Auseinandersetzung mit der Chemie ist so neu,1 daß die meisten Philosophen gegenwärtig Schwierigkeiten haben dürften, überhaupt eine thematische Verbindung zwischen beiden Fächern herstellen zu können, was auf ähnliche Weise übrigens auch auf Chemiker zutrifft. Daß dies nicht immer so war, wird sofort einsichtig, wenn man bedenkt, daß die chemische Frage nach der substantiellen Verschiedenartigkeit von Stoffen und ihren gegenseitigen Umwandlungsmöglichkeiten bereits zu den Grundfragen aller antiken Naturphilosophen gehörte. Es dürfte insbesondere dem theoretischen Ungenügen des Konzepts stofflicher Qualitäten nach über 2000 Jahren zuzuschreiben sein, daß sich die neuzeitliche mechanische (Natur-)Philosophie gegen Ende des 17. Jahrhundert in nahezu konkurrenzloser Weise durchzusetzen vermochte, so daß jeder, der sich aufs moderne Philosophieren verstehen wollte, der Doktrin der primären (mechanischen) Qualitäten einschließlich der Reduktion jeder Veränderung auf Ortsveränderung anhängen mußte.2 Dieser Ansatz versprach auf einer theoretischen Ebene, mit einem Schlage alle Möglichkeiten stofflich substantieller Verschiedenheit und Veränderung in einen überschaubaren quantitativen Rahmen einzufangen. Diese Abwendung der Philosophie von den ursprünglichen chemischen Fragen beinhaltet drei für den vorliegenden Zusammenhang wichtige Kategorienverschiebungen. (1) Die Kategorie der substantiellen Verschiedenheit verliert ihre Bedeutung in bezug auf Stoffe..