Abstract
Dass Armut in vielen Fällen moralisch problematisch ist und daher unserer Aufmerksamkeit bedarf, ist unstrittig: Wer in Armut lebt, hat empfindliche Einschränkungen des Wohlergehens zu verkraften, besitzt weniger Möglichkeiten, ein gutes Leben zu führen und lebt allgemein gesprochen in einem Zustand, der nicht allein für ihn schlecht, sondern auch aus personenneutraler Perspektive verbesserungswürdig erscheint. Während die Grenzen unserer moralischen Verpflichtungen gegenüber der Minderung oder Beseitigung von Armut umstritten sind, ist es unkontrovers, dass Handlungen, die die Bekämpfung der Armut zum Ziel haben, zumindest pro tanto als moralisch richtig oder gut klassifizierbar sind. Deutlich wird dies nicht zuletzt daran, dass alle wichtigen Traditionslinien der normativen Ethik über Ressourcen verfügen, die Wertschätzung, die wir solchen Handlungen gewöhnlicherweise entgegenbringen, zu rechtfertigen: sei es über die Identifikation entsprechender Pflichten, Tugenden, moralisch wertvoller Zustände oder Überlegungen wechselseitigen Vorteils.