Abstract
Ob bei politischen, ökologischen oder technologischen Themen – geht es um die Zukunft, ist der Begriff der Utopie wieder in aller Munde. Dieser Renaissance steht zugleich eine dezidierte Verabschiedung utopischer Perspektiven in soziologischen Zeitdiagnosen gegenüber: Moderne Gesellschaften seien zu komplex und wandelten sich zu schnell, als dass Utopien als normative Orientierungshorizonte noch glaubwürdig wären. Die Zeit der Utopie sei vorbei – aber stimmt das? Ich rekonstruiere im Folgenden das Argumentationsmuster jener soziologischen Utopiekritik am Beispiel von Armin Nassehis und Hartmut Rosas Analyse moderner Zeitstrukturen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei ihr Anschluss an Reinhart Kosellecks historische Studien, die ein stark vereinfachtes und normativ verzerrtes Bild der utopischen Tradition zeichnen. Im Kontrast dazu möchte ich die Wandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit der literarischen Utopie beispielhaft an Ernest Callenbachs Ecotopia aufzeigen. Die Frage, ob utopische Entwürfe heutzutage noch relevant sind, muss sich empirisch von Fall zu Fall erweisen und kann nicht auf Ebene der Gesellschaftstheorie pauschal beantwortet werden.