Abstract
Menschliche Existenz ist wesentlich zeitlich verfasst. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden keine lineare Abfolge, sondern durchdringen einander in der jeweiligen Gegenwart. Diese Durchdringung ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen unserer Existenz. Es liegt jedoch auf der Hand, dass wir darüber nicht vollständig verfügen. Um die zeitlichen Bedingungen für das Gelingen oder Scheitern unserer Existenz zu verstehen, ist es daher wichtig, eine Erfahrungsebene jenseits der Kontrolle des bewussten Ichs zu berücksichtigen. Ich untersuche drei Ansätze, die dazu auf unterschiedliche Weise beitragen: (1) Freud denkt, dass das Unbewusste, das er als zeitlos versteht, die Fähigkeit des bewussten Ichs beeinträchtigen kann, die Vermittlung mit der Realität zu leisten. Im Gegensatz dazu (2) beschreibt Bergson die innere „Dauer“ (die systematisch an die Stelle von Freuds Unbewusstem tritt) als ein Werden, von dem verstandesmäßig getroffene Entscheidungen das Subjekt entfremden können. Schließlich (3) ist Subjektivität Levinas zufolge durch eine „Diachronie“ konstituiert, einen Prozess des Verlusts oder Vergehens einer Zeit, die das Ich nicht wieder einholen kann, die aber gerade deshalb das Subjekt von sich selbst zu befreien vermag. Ich argumentiere, dass jeder der Autoren etwas zum Ausdruck bringt, das für unsere zeitliche Existenz von großer Bedeutung ist, und biete eine Möglichkeit an, ihre Einsichten zu integrieren.