Brentano und Meinong. Zur Ontologie der Denkobjekte

In Winfried Löffler (ed.), Substanz und Identität. Beiträge zur Ontologie. Paderborn: Mentis (2002)
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Abstract

1. Die Psychologie vom empirischen Standpunkt (1874) Brentanos gilt als das Werk der Theorie der Intentionalität. Brentano macht dort die „intentionale Inexistenz” des Denkobjekts zum Definitionsmerkmal des Psychischen und zugleich zum zentralen Begriff eines einflußreichen Forschungsprogramms. Die Idee der intentionalen Beziehung, die in der Psychologie diese zentrale Stellung genießt, hat jedoch ganz bestimmte Aristotelisch-scholastische Wurzeln und wurde bereits in Brentanos Dissertation (1862) sowie in seiner Habilita¬tions¬schrift (1867) als ein unproblematisches Werzeug der Analyse verwendet. 2. Die Rede von der „objektiven Existenz im Geiste” bedeutet dabei zunächst eine gewisse Suspendierung der ontologischen Verpflichtungen. Alles, was nur diese Seinsweise hat, wird aus dem Bereich der Ontologie ausgeschloßen. Auch in seinen Vorlesungen zur Metaphysik, die Brentano seit 1867 in Würzburg gehalten hat (Manuskript M 96), betrachtet er die Seinsweise, die den gedachten Objekten als solchen zukommt, als ontologische belanglos. 3. In der Periode nach der Psychologie wurde indessen die intentionale Inexistenz immer mehr als ein ontologi¬sches Thema für sich betrachtet. Brentano wurde sich der ontologischen Implikationen der Rede von der intentionalen Inexistenz immer mehr bewußt. Die Seinsweise der immanenten Objekte wird immer mehr ontologisch verpflichtend und Brentano entwickelt in der Tat eine höchst komplizierte Onto¬logie der intentionalen Beziehung. Sehr deutlich kann man das auf Grund der Vorlesungen zur deskriptiven Psychologie (1890/91) sehen. So kann man sagen, daß das sogenannte „Kriterium Quines” bei Brentano erst in der Periode nach der Psychologie richtig zur Geltung kommt. Das Kriterium selbst ist übrigens umstritten. Die Philo¬sophen wie Prior, Alston oder Geach betrachten es z.B. eher als dubios. Die Entwicklung der Theorie Brentanos ist demgemäß keineswegs von bloß historischer Bedeutung. 4. Die Gegenstandstheorie Meinongs, die die Objekte der intentionalen Beziehung endgültig „ontologisiert” und von der psychischen Realität eman¬zi¬piert, kann als eine konsequente Fortsetzung dieser Entwicklung angesehen werden – die Fortsetzung, die der späte Brentano (nach 1904) eher als eine reductio ad absurdum betrachten würde. Sehr interessant ist in diesem Kontext die Theorie der Intentionalität, die Brentano in seinen Logik-Vorlesungen von 80-ger Jahren (Manuskript EL 80) vorgestellt hat. Diese Theorie operiert mit den nicht-existierenden Gegenständen und kann mit guten Gründen als die Inspirationsquelle der Meinongschen Theorie angesehen werden.

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Arkadiusz Chrudzimski
Université de Fribourg

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