Abstract
From a historico-cultural point of view the notion of normativity is
closely tied to the apparently descriptive category of normality. This relation seems
even tighter on the level of experience. As Husserl shows that normality, in the form
of concordance and optimality, is a constitutive feature of experience itself. But in
what sense can we speak of normativity in the realm of experience? Husserl himself
saw no need to pose this question. But to explain the possibility of normal and
coherent perception one needs more than merely formal criteria (like concordance
and its adjustment to an optimum): one must also take into account the attentional
nature of perception. In this regard, the present paper will consider Husserl’s early
treatment of attention and integrate it with its genetic implications on the level of
affection. Doing so shows that subjective experience is characterized by a preference-
structure, motivated by the embodied subject’s individual and cultural horizons
of interest. It is this that allows one to speak of a precursor to normativity in the
realm of experience. Moreover it can be argued that interest not only influences
perception from the lowest level, but can be seen as a precondition for any current
attention. Thus to speak of normativity in experience in this stronger sense, means
not only that perception already contains traces of intersubjective norms; it also
means that such norms determine what you can see at all.
--------------------------------------------------------------------------Aus kulturgeschichtlicher Perspektive steht der Begriff Normativität in einer engen Verbindung mit der vermeintlich deskriptiven Kategorie der Normalität. Erweist sich diese Relation aber bereits auf der Ebene der sinnlichen Erfahrung als grundlegend, hat dies weitreichende Konsequenzen. Wie Husserl zeigt, ist Normalität im Sinne der formalen Kriterien von Einstimmigkeit und Optimalität selbst konstitutiv für jede Erfahrung. Um darüber hinaus die Normativität innerhalb der Erfahrung in den Blick zu bekommen, soll in diesem Beitrag die phänomenologische Beschreibung um einen wichtigen Aspekt ergänzt werden: die Aufmerksamkeit. Zu den formalen Normalitätskriterien muss eine konkrete subjektive Präferenz hinzu treten, die eine Differenzierung der Wahrnehmungsinhalte leistet. Anders lässt sich eine normale und kohärente Erfahrung nicht hinreichend erklären. Husserls frühe Arbeiten zur Aufmerksamkeit und Intentionalität sollen daher mit späteren genetischen Analysen zu einer umfassenderen Konzeption von Aufmerksamkeit verbunden werden. Hierbei wird deutlich, dass jede subjektive Erfahrung durch ihre präferenzielle Struktur charakterisiert ist, die sowohl von individuellen als auch kulturellen Interessenshorizonten des leiblichen Subjekts motiviert ist. Dies erlaubt es, von einer rudimentären Form der Normativität innerhalb der Erfahrung zu sprechen. Diese immer schon intersubjektiven Interessensdimensionen beeinflussen weiterhin jedes Aufmerksamkeitsverhalten von den untersten Stufen der Wahrnehmung bis hin zu höheren Geistesakten. Normativität in einem starken Sinne meint damit nicht nur, dass sich die Spuren intersubjektiver Normen bereits innerhalb der Wahrnehmung finden lassen. Vielmehr bestimmen diese Normen, was wir im Einzelfall überhaupt sehen können