Naharaim 1 (1):131-147 (
2007)
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Abstract
I Leben und Objektivierung Die Hegelsche Forderung, „in der Sache zu sein und ‚nicht immer darüber hinaus‘ “, hat Adorno nicht nur als Anweisung für die philosophische Arbeit verstanden. Sein ganzes Leben galt dem Versuch, sich zu objektivieren – in der Doppelbedeutung objektiv, das heißt konkret gegenständlich zu denken und Gegenstände, nämlich Werke zu produzieren. Der Bezug zur Sache ist für Adorno Maßnahme, um noch im „Freiluftgefängnis“ der Moderne seiner selbst mächtig zu bleiben. Das Subjekt gewinnt sich, indem es sich an das Objekt entäußert – dieser klassischen Idee der Bildung hat er eine neue Fassung gegeben, die explizit als Gegenmittel zu den Regressionen des 20. Jahrhunderts formuliert ist. Denn umgekehrt ist der Ausbruch des Bösen eine Folge der Objektlosigkeit, und der Antisemitismus wird als Projektion verstanden, in der die Beziehung zum Objekt verloren gegangen und die Reflexion ausgefallen sei. Adornos Leben und Werk enthält demgegenüber das anspruchsvolle Programm, es mit der komplexen und schlechten Welt intellektuell aufzunehmen, indem man ihre kulturellen Objektivationen deutet: die großen Kunstwerke und Philosophien ebenso wie die Formen der Popkultur, bis hin zu Umfragen in Frauenzeitschriften und zur Horoskopspalte der Los Angeles Times. Nicht der schlechteste Grund, sich heute mit Adorno zu beschäftigen, ist sein Denken an den Gegenständen entlang.