Die dreistufige Struktur der Kategoriendeduktion und ihr Sinn in Fichtes Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 1794/95
Abstract
Die Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 1794/95 (GWL) ist die erste und einzige von Fichte selbst veröffentlichte Fassung der Wissenschaftslehre und übte großen Einfluss auf ihre philosophiegeschichtliche Rezeption aus. Der Text ist schwer verständlich, denn er war nicht als ein für sich stehendes Werk, sondern als Handschrift für die Zuhörer an der Universität in Jena vorgesehen. Fichte hat ihn neben anderen Texten in einem Semester so schnell redigiert, dass man diese Fassung kaum als eine deutliche Gestaltung der Kerngedanken der Wissenschaftslehre und noch viel weniger als ein vollständiges System derselben betrachten kann. Die neuere Fichte-Forschung hat in den letzten Jahrzehnten größere Aufmerksamkeit auf die neue Darstellung der Wissenschaftslehre (die sogenannte Wissenschaftslehre nova methodo), die Sittenlehre, die Rechtslehre sowie ihre jeweiligen späteren Fassungen gerichtet, weil die Zeitgenossen Fichtes die weitgehende Tragweite der Wissenschaftslehre nicht genügend hätten wahrnehmen können. Es mag also beim gegenwärtigen Forschungsstand als altmodisch erscheinen, noch auf die Fassung von 1794/95 zurückzugehen. Die vorliegende Untersuchung tut jedoch eben dies und mit gutem Grund. Denn trotz der vielfältigen wissenschaftlichen Abhandlungen über die GWL bleibt es immer noch dunkel, wie man z. B. den unverhältnismäßig langen und verwirrenden „Abschnitt E“ im zweiten Teil der GWL über die Grundlage des theoretischen Wissens interpretieren und verstehen soll. In der Sekundärliteratur findet man verschiedene Einstellungen, von treuer Wiedergabe über interpretatorische Abschwächung bis hin zur Ermahnung, aber keine hat sich meiner Meinung nach auf den Abschnitt E einen passenden Reim gemacht.