Prolegomena Zu Einer Systematischen Straftheorielehre
Abstract
"Why punish?" is one of the oldest and certainly the most crucial question confronting the criminal law. Yet surprisingly little has been accomplished in the systematization of individual theories of punishment. Discussions merely contrast absolute and relative theories or focus on the triad: retribution - general prevention - specific prevention. This article approaches the issue by undertaking an exhaustive systematization. First, it considers the relationship between theories of punishment and theories of criminality, both understood in the broad sense. Theories of punishment thus can include approaches such as re-establishment of offender-victim parity, provision of reparations, radical non-intervention, or any number of agreements between the offender and the victim and/or state. Theories of criminality include so-called criminalization conceptions, such as the labeling approach or approaches based on a priori ideas of human nature. It then comes to light that virtually every theory of punishment in the broad sense can be linked to a group of theories of criminality. Furthermore, theories of punishment when viewed in their orientation toward the offender, the victim or the general community can be categorized in a comprehensive system which indicates that theoretically additional, as yet undiscussed, theories of punishment are conceivable, such as punishment of the victim or positive sanctioning of the offender. Finally, the article attempts to arrange the theories of punishment gained from the analysis such that they can be subordinated to various primary punishment goals: satisfaction of the demand for punishment of the offender, crime prevention, punishment equality, and keeping of peace within the legal community. Obwohl die Frage, warum eigentlich gestraft wird, eine der ältesten und wohl die entscheidenste des gesamten Strafrechts ist, hat man bisher erstaunlich wenig für die Systematisierung der einzelnen Straftheorien geleistet. Es werden immer nur die absoluten Straftheorien den relativen gegenübergestellt oder von der Trias Vergeltung - Generalprävention - Spezialprävention gesprochen. In dem vorliegenden Beitrag sollen nun weiterreichende Wege der Systematisierung gegangen werden: Zunächst einmal wird das Verhältnis der Straftheorien zu den Kriminalitätstheorien untersucht, wobei beide Begriffe sehr weit verstanden werden: Als Straftheorien können danach auch Konzeptionen wie Täter-Opfer-Ausgleich, Wiedergutmachung, Nonintervention oder Verständigung verstanden werden; zu den Kriminalitätstheorien werden auch die sog. Kriminalisierungskonzepte wie etwa der labeling approach oder eher geisteswissenschaftlich orientierte Konzepte gerechnet. Es stellt sich heraus, daß sich praktisch jede der Straftheorien im weiteren Sinne mit einer Gruppe so verstandener Kriminalitätstheorien verbinden läßt. Des weiteren lassen sich die Straftheorien, wenn man ihre Ausrichtung entweder auf den Täter oder das Opfer oder aber auf die Gesellschaft beachtet, in ein umfassendes System einordnen, in dem deutlich wird, daß theoretisch noch weitere, bisher nicht diskutierte Straftheorien denkbar sind, wie etwa die Opferbestrafung oder die positive Sanktionierung. Schließlich wird in dem Beitrag versucht, die so gewonnenen Straftheorien dahingehend zu ordnen, daß man sie verschiedenen übergeordneten Strafzielen - Befriedigung von Strafbedürfnissen, Vorbeugung von Straftaten, Gleichheit des Strafens, Schaffung von Rechtsfrieden - zuordnet