Abstract
Auch wenn der Tod nicht gewählt wird, wenn das Faktum des Todes unabwendbar und endgültig ist, ergeben sich für Menschen, die sich dem Sterben zuwenden, Möglichkeiten. Ausgehend von der Annahme, dass der Tod in ontologischer und ethischer Hinsicht relational verstanden werden muss, legt dieses Kapitel die Bedeutung des Todes – in Anlehnung an Vladimir Jankélévitch – in der Du-Perspektive, in der Ich-Perspektive und in der dritten-Person-Perspektive aus. Für die Zurückbleibenden entsteht die Aufgabe, den Prozess des Gehen-Lassens zu begreifen und zu gestalten. Eine Reihe von medizinethischen Dilemmata entstehen, die damit strukturiert werden, dass einem Sterbenden eine Rolle zugewiesen wird, die nur zu einer bestimmten Zeit gilt: wenn der Sterbeprozess begonnen hat. Wann hat er aber begonnen? Zwei soziologische Modelle der Sterberolle von 1977 und 2007 werden miteinander verglichen. Es zeigen sich Veränderungen in der Einstellung zu Sterbenden und zur Aufgabe der Medizin. Für die Sterbenden selbst entsteht die Aufgabe, die Anderen, die Welt und das ganze Leben zurückzulassen. Wünsche zum Sterben – auch eigentliche Sterbewünsche – enthalten Handlungsräume und reflektieren Verantwortung. Ein Wunsch zu sterben ist nicht einfach da oder nicht da, sondern wird gestaltet und fein austariert. Wünschen ist ein Akt des Denkens. Ein besseres Verständnis der Bedeutung von Wünschen am Lebensende kann zur Klärung der Fragen um ein „gutes Sterben“ im Kontext einer Ethik des „guten Lebens“ beitragen.