Abstract
Während Alasdair MacIntyres Haltung zur Moderne zu undifferenziert ablehnend ist, erinnert er zu Recht daran, dass die Ethik für den Menschen von der Natur vorgegebene Normen braucht. Eine nachhaltige Gestaltung der Welt wird nicht durch einen bloßen gesellschaftlichen Konsens erreicht, sondern durch Rücksichtnahme auf die vorgegebene Natur. Robert Bellah konkretisiert diese Normen in religiösen Haltungen der Amerikaner, die wesentlich zum solidarischen Zusammenleben beitragen. MacIntyre hat seine Verfallstheorie, die er in Der Verlust der Tugend entwickelt hat, in späteren Werken, vor allem in Die Anerkennung der Abhängigkeit, revidiert. Er betont die wesentliche Abhängigkeit der Menschen voneinander, die vor den legitimen Marktinteressen Vorrang haben müsse.John Rawls versucht eine Verteilungsgerechtigkeit durch die ethische Korrektur utilitaristischer Verteilungsregeln zu erreichen. Neben dem Vorteilsdenken werden die Menschen durch den Gerechtigkeitssinn in einer durch sie selbst geschaffenen Ursituation dazu motiviert, die Verteilung, die sich aufgrund von Tüchtigkeit ergibt, zu korrigieren. Rawls macht nicht einsichtig, warum die Menschen, wenn sie doch Ergebnis einer Zufallslotterie der Natur sind, von ihren konkreten Vorteilen absehen sollten, um sich in einer hypothetischen Verteilungssituation als materiell gleiche Subjekte anzusehen.Michael Walzer widerlegt den Egalitarismus von Rawls mit dem Nachweis, dass der Maßstab der Gleichheit zu einer einseitigen Quantifizierung der menschlichen Bedürfnisse führt und deren Unterschiedlichkeit nicht gerecht wird. Soziale Güter haben innerhalb einer Gesellschaft einen lokalen Charakter und werden in verschiedenen Kulturen unterschiedlich bewertet und verteilt. Es gibt elf zentrale Güter: Mitgliedschaft & Zugehörigkeit, Sicherheit & Wohlfahrt, Geld & Waren, Ämter, harte Arbeit, Freizeit, Erziehung & Bildung, Verwandtschaft & Liebe, Göttliche Gnade, Anerkennung und politische Macht. Diese Güter sind unterschiedliche Vollkommenheiten und setzen auch unterschiedliche Fähigkeiten voraus. Wenn jemand z. B. besonders tüchtig im Gelderwerb ist, qualifiziert ihn dieses noch nicht für ein politisches Amt. Menschenrechte, die Rawls unbewiesen vorausgesetzt hat, werden bei Walzer über die Rechte auf staatliche Mitgliedschaft, auf ein Minimum an Sicherheit und Einkommen und über Recht auf Arbeit eingeführt.Die kosmopolitische Ausweitung des Rawls’schen Verteilungsprinzips durch Thomas Pogge und Charles Beitz, die in jüngster Zeit zur Forderung nach offenen Grenzen führt, werden mit dem Argument kritisiert, dass staatliche Grenzen eine Voraussetzung des Friedens zwischen den Staaten sind. Mit David Miller ist die Notwendigkeit anzuerkennen, die Tradition und Identität eines Volkes zu beschützen und zu verteidigen. Ein Staat hat das Recht, den Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen.