Abstract
Hans-Ulrich Lessing beschäftigt sich in seinem Beitrag „Die Genese Diltheys deskriptiver Psychologie“ mit der Entwicklung der deskriptiven Psychologie im Ausgang von Diltheys Frühschriften zu Schleiermacher, seiner Habilitationsschrift und frühen Berliner Logik-Vorlesungen, seinen Arbeiten zu Novalis bis hin zu allgemein bekannten Hinwendungen Diltheys zum Problem der Psychologie ab 1886, in welcher Dilthey die deskriptive Psychologie als Grundlagenwissenschaft auszuweisen sucht. Ausgehend von einer Explikation der Problemstellung, Methodik und umfassenden Definition deskriptiver Psychologie, betont Lessing Diltheys Opposition zur erklärenden konstruktiven Psychologie, die nach dem Vorbild der Naturwissenschaften von Hypothesen ausgehend versucht, die Vorkommnisse des Seelenlebens durch Kausalzusammenhänge zu erklären. Dem entgegen sieht Dilthey die Aufgabe der deskriptiven Psychologie, welche Lessing als die älteste philosophische Konzeption Diltheys auszuweisen weiß, als eine Erfahrungspsychologie, zu deren Methoden sowohl Beobachtung, Analyse und Vergleich psychischer Vorgänge zur Statuierung von „Gleichförmigkeit des geistigen Lebens“ als auch dessen Individuationen gehören, in der Aufstellung,abschließender‘ Hypothesen. Dabei steht Dilthey, so Lessing, dem Formalismus der erklärenden Psychologie kritisch gegenüber und sucht ihn durch die Berücksichtigung entsprechender Inhalte zu ergänzen, welche für das jeweilige Leben von unschätzbarer Bedeutung sind, worin gleichsam die gewichtige Rolle der Geschichte zum Ausdruck kommt.