Abstract
In der bioethischen Diskussion wird unter Medikalisierung ein Prozess verstanden, durch den Phänomene, die nach allgemeiner Auffassung in einer Gesellschaft bisher als nicht-medizinisch relevant wahrgenommen worden sind, nunmehr dem medizinischen Problemkreis zugeordnet und mit medizinischen Mitteln behandelt werden. Dieser Prozess ist Teil einer gesellschaftlichen Veränderung, induziert durch eine medizinische Forschung und Praxis, die ihren Blick auch auf jene Felder menschlicher Lebensbereiche richtet, die bisher nicht oder nur marginal unter Beobachtung der medizinischen Wissenschaften gestanden haben. Dieser Vorgang, der zu einer erweiterten medizinischen Praxis führt und neue Bedürfnisse in der Gesellschaft weckt, wird explizit etwa seit Mitte des 18. Jahrhunderts beschrieben. Als Begriff wird Medikalisierung jedoch erst im 20. Jahrhundert eingeführt.