Abstract
Tocquevilles Verständnis von Religion und Kirche ist oft Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen. Zwar enthält sein Hauptwerk nur einzelne Abschnitte über die Kirchen in Amerika oder das Christentum im Allgemeinen, dennoch bietet Tocqueville darin wichtige Bezugspunkte für eine positive Bestimmung der Rolle der Religion in der Demokratie. Zugleich warf er eine ganz neue Perspektive auf das religiöse Amerika. Als James MadisonMadison, James den Entwurf der amerikanischen Verfassung vorlegte, welcher die Neutralität des Staates in religiösen Fragen erklärte, wurde die strikte Trennung von Kirche und Staat, wie es das First Amendement der Verfassung von 1799 festschrieb, zum Grundprinzip des Staates. Diese politische Grundsatzentscheidung der Trennung des gesellschaftlichen Lebens in einen säkularen und einen sakralen Bereich stieß in Europa auf heftige Kritik. Nicht wenige sprachen gar vom Untergang der Religion in Amerika. Tocquevilles amerikanische Erfahrungen lehrten ihn jedoch etwas Anderes. So beschrieb er in De la démocratie en Amérique nicht nur eine vielfältige agile religiöse Gesellschaft, sondern führte diese sogar auf die klare Trennung von Kirche und Staat in den USA zurück.