Abstract
Im §4 der Einleitung zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts charakterisiert Hegel die Seinsweise, in der das »Reich der verwirklichten Freiheit« gegeben ist, als die einer zweiten Natur. Obwohl Hegel die spezifische Formel von der »zweiten Natur« hier nur noch ein weiteres Mal (GPhR § 151,301) direkt wieder aufnimmt, markiert sie eine ebenso grundlegende wie weitreichende Neubestimmung der Wirklichkeit der Freiheit, die in der zeitgenössischen Diskussion von erheblicher Bedeutung ist. Um genauer zu verstehen, welchen Sinn diese Bestimmung der Form der Freiheit hat, ist es hilfreich, eine grundlegende Form zweiter Natur - die Gewohnheit - zu untersuchen, die Hegel in einem Abschnitt zur Anthropologie in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften näher charakterisiert. Ich möchte im Folgenden die Form der Gewohnheit näher bestimmen, indem ich sie als einen besonderen Typ von Wiederholung charakterisiere, der sich im Ausgang von den Wiederholungen des Triebs verstehen lässt. Durch diese Bestimmung kann deutlich werden, wie die Gewohnheit dadurch, dass sie eine lebendige Form wiederholt, den Übergang von Natur zu Geist ermöglicht, diesen Übergang jedoch zugleich stets bedroht. Diese doppelte Struktur von Ermöglichung und Gefährdung behält noch für das »Reich der Sittlichkeit« (PhdG, 264) Gültigkeit und qualifiziert die Art und Weise, in der dieses als zweite Natur existiert. Die Form der Praxis lässt sich in diesem Sinne einerseits nur im Ausgang von der Form des Lebens verstehen, hängt aber andererseits zugleich von dem Abstand ab, den die Wiederholungen der Praxis gegenüber denen des Lebens gewinnen.