Abstract
Husserls Versuch eine Phänomenologie als strenge Wissenschaft zu entwickeln, ist gegründet auf einem — phänomenologisch — nicht ganz richtigen, aber dennoch fundamentalen Gegensatz zwischen zwei „Einstellungen” (oder, wie wir sagen, „Bewusstseinsperspektiven”) : der „natürlichen” und der „phänomenologischen”. Dieser Gegensatz hat bei den Husserlinterpreten und -kommentatoren erstaunlich wenig Aufmerksamkeit und Interesse geregt. Das ist merkwürdig, nicht nur weil Husserl doch selbst wiederholt auf die Wichtigkeit dieses Gegensatzes hingewiesen hat, sondern auch wegen dessen philosophischen und praktischen Relevanz. Worin meinen wir diese Relevanz sehen zu können? Einerseits bildet er die „ideale” Grundlage einer Lösung für manche grossen philosophischen Probleme, z.B. für das zu sehr unterschätzte aber allesbestimmende „metabasis" -Problem (das Problem des — fälschlichen — Perspektiven-oder Einstellungen-Wechsels), für das hiermit unmittelbar zusammenhängende Materialismus-Idealismus Problem, für das „adae quatto” -Problem (was ist das Ding an sich? ist es erkennbar?) usw. Andererseits gibt uns eine phänomenologische Aufklärung der Perspektivität eine neue und wichtige, weil kritische Grundlage fur eine praktisch relevante Diskussion über Lebensprobleme wie die Freiheit (oder Determinismus/Fatalismus), die Verantwortungsmöglichkeit (oder passive „Hingezogenheit”) und vor allem für das topische Problem der Thematisierung (was ist, und was, wie und warum soll man thematisieren?). Nur eine solche grundsätzlich kritisch-phänomenologische Aufklärung ermöglicht eine durch die Phänomenologie selbst herausgeforderte, buchstäblich lebensnotwendige Konfrontation mit den „positiven” Wissenschaften