Abstract
Die Idee des absoluten Wissens schließt die Idee der Begründung dieses Wissens durch und aus sich selbst ein. Das absolute Wissen unterscheidet sich in sich selber in den Grund des Wissens und dessen Folge, eben das Wissen. Das Wissen ist also die Identität des Wissens mit seiner Negation, dem Sein an sich. Husserls Phänomenologie will die radikale Ausführung der als absolutes Wissen oder Wahrheit strenge Wissenschaft verstandenen Philosophie sein. Sofern das absolute Wissen ein Wissen ist, muß die Phänomenologie deshalb die Identität seiner beiden Pole herausstellen ; d.h. durch die phänomenologische Reduktion darf nichts vom Ansichsein oder der Welt verloren gehen. Sofern das Wissen dagegen absolut ist, muß das negative Verhältnis zwischen den Polen Welt und Bewußtsein einen Abgrund aufreißen ; der wechselseitige Ausschluß beider nimmt die absolute Form des schlechthinnigen Widerspruchs an. Durch die Konstitution der Bewußtseinsgegenständlichkeiten kommt also etwas vom Bewußtsein völlig Verschiedenes, eben die Welt, zustande. Die Form der phänomenologischen Grundbegriffe Intentionalität, Reduktion und Konstitution ist demnach die der wechselseitigen Implikation zweier sich gegenseitig zugleich auch aufhebender Momente. Da diese Aufhebung zugleich auch die Beständigung und Bestätigung des Aufgehobenen ist, bleibt als ihr Resultat nicht nichts übrig, sondern eine in ihren Grundlagen verworrene und doppelgesichtige Philosophie. Die Grundstruktur der Phänomenologie äußert sich in Paradoxien, deren Ursprung und Notwendigkeit Husserl nicht mehr aufgeklärt hat. Der Rechtsgrund zu diesem Unaufgeklärtlassen liegt darin, daß erst nach der Aufrichtung und Durchführung der Phänomenologie, d.h. an ihrem Ende, eine Reflexion auf die Phänomenologie als solche und im Ganzen vollzogen werden konnte. Der Rechtsgrund für diese Totalreflexion liegt aber seinerseits ebenfalls und in gleichem Maße in der Idee des absoluten Wissens beschlossen, welche die absolute Selbstbegründung des Wissens fordert oder, wie Husserl sagt, die Reduktion auf die äußersten Horizonte. Der äußerste Horizont der Phänomenologie (als des absoluten Wissens) ist aber die Phänomenologie selbst. So ist die Reflexion auf die Grundlagen der Phänomenologie einerseits ein Unternehmen innerhalb des absoluten Wissens und der Phänomenologie, wie sie andererseits auch erst an derem Ende, also jenseits der Phänomenologie, vollzogen werden kann. Dieser Widerspruch im Bestimmen des Wesens der Phänomenologie bewahrheitet die Bestimmung dieses Wesens als des Widerspruchswesens schlechthin. Die Phänomenologie bildet demnach die Bewegung, sich bzw. die Idee des absoluten Wissens selber aufzuheben. Dies ist aber nicht die Feststellung eines „Scheiterns” des phänomenologischen Projekts. Vielmehr hat dieser Sachverhalt positive Bedeutung : Die Phänomenologie verendlicht sich selber zu einer Philosophie, um sich selbst zu überleben in der Aufhebung dieser ihrer Endlichkeit auf die Philosophie als solche hin. Durch das Übergehen der unendlichen Idee in die Endlichkeit entfaltet diese sich in sich selber zu ihrer wahren Unendlichkeit. Die Idee des absoluten Wissens ist also nicht eine abstrakte und leblose Chimäre, welcher Husserl in seiner Phänomenologie nachgejagt wäre. Sie bildet im Gegenteil die Bewegung der inneren Selbstveränderung des Absoluten und ist die Selbstbewegung seiner Idee