Abstract
Nach Rahel Jaeggi gibt es drei Möglichkeiten, eine Gesellschaft unter normativen Gesichts-punkten zu kritisieren. Man könne extern, intern oder immanent verfahren. Nach Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile spricht sie sich für den immanenten Kritikmodus aus. Auf der einen Seite komme er, anders als die externe Kritik, ohne die problematische Annahme universell gültiger Normen aus, auf der anderen Seite setze er nicht, wie die interne Kritik, auf bloß kontingente Überzeugungen. Vielmehr könne immanente Kritik, darin einer Intention des frühen Marx folgend, entlang der Krisen- und Erosionserscheinungen der alten Gesellschaft die Grundprinzipien der neuen Gesellschaft entwickeln.
Die Hauptthese des Artikels ist, dass diese interessante Idee nicht aufgeht. Im ersten Teil wird Jaeggis knappe – und darum interpretationsbedürftige – Erörterung der externen Kritik nachvollzogen. Dabei zeigt sich, dass bereits die Charakterisierung der externen Kritik Ambivalenzen aufweist (1.1), Jaeggis Kritik universalistischer Ethiken auf Prämissen beruht, die nicht selbstverständlich sind (1.2), und auch ihre Kritik am Essentialismus und Paternalismus älterer Entfremdungstheorien es nicht vermag, der externen Normbegründung einen entscheidenden Schlag zu versetzen (1.3). Im zweiten Teil wird in knapper Form Jaeggis präzise Erörterung der internen Kritik nachgezeichnet. Die von Jaeggi präferierte immanente Kritik überzeugt indes nicht. Sie erweist sich als normativ unselbständig, weshalb sie keine Alternative zur externen und internen Kritik darstellt (Teil 3).