Abstract
Wie vor ihm Benjamin Constant zwischen zwei Arten der Freiheit – die der Alten und die der Modernen – unterschieden hatte, unterscheidet Tocqueville zwischen zwei Arten der Unfreiheit, und dementsprechend auch des als Sinnbegriff dieser Unfreiheit fungierenden Despotismus. Wenn er dabei auch, im Gegensatz zu Constant, auf eine zeitgeschichtliche Begrifflichkeit verzichtet und es vorzieht, zwischen einem grausamen und einem sanften Despotismus zu differenzieren, lassen sich doch diese beiden Formen auch zeitgeschichtlichen Epochen zuordnen, wobei der grausame Despotismus nicht, wie das noch in Montesquieus undifferenzierter Behandlung in De l’esprit des lois geschah, primär dem Orient im Allgemeinen und dem Ottomanischen Reich im Besonderen zugeordnet wird, sondern dem römischen Kaiserreich nach Augustus – das aber, wie Tocqueville es bestätigend zu einem 1856 von Ampère in der Revue des Deux Mondes veröffentlichten Artikel notiert, den tyrannischen Despotismus anderer Reiche vorbereitet hat. Tocqueville erscheint somit als der Theoretiker einer ganz neuen Form des Despotismus, wobei die Frage allerdings offen bleibt, ob diese neue Form des Despotismus sich dauerhaft etablieren wird.