Abstract
ZusammenfassungIn der Nachkriegszeit war die bevorzugte Methode zur Nutzbarmachung von Flüssen die sogenannte integrierte Flussgebietsplanung (integrated river basin planning – IRBP), die eine ganzheitliche Betrachtung des Flussgebiets für eine Mehrzweckentwicklung erforderte. Während das Flusseinzugsgebiet in den Definitionen des IRBP-Konzepts als selbstverständliche natürliche Einheit der Planung angesehen wird, problematisiert dieser Artikel die Flusseinzugsgebietsidee und enthüllt die Politik hinter dem, was als natürlich (oder wissenschaftlich) gilt, mit besonderem Schwerpunkt auf den Erfahrungen der Türkei mit IRBP. Er untersucht geopolitische und nationale Motivationen und Herausforderungen im Zusammenhang mit politics of scale im Euphrat-Tigris-Becken. Indem es sich dem IRBP als einem Prozess der Skalenbildung nähert, stützt es sich auf Diskussionen über Skalenpolitik in der Literatur zur politischen Ökologie, und ergänzt diese Diskussionen um eine historische Tiefendimension hinzu. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der politischen und ökologischen Geschichte der Südosttürkei, die zum Schauplatz des ersten und umfangreichsten IRBP-Projekts der Türkei wurde, dem Südostanatolien-Projekt (GAP).Der Artikel dehnt die chronologischen Grenzen des GAP auf die Jahrzehnte vor den 1970er Jahren aus, als das Projekt initiiert wurde. Die historischen Daten des Artikels basieren größtenteils auf den Sitzungsakten der Großen Nationalversammlung der Türkei, den Archiven einer Tageszeitung und den Expertenberichten zum GAP. Die Analyse hebt die Skalenpolitik als mächtigen Bestandteil der Politik der technologischen Entwicklung hervor und zeigt, wie wichtig die historische Analyse ist, um die Politik der Flusseinzugsgebiete in verschiedene Ebenen aufzuschlüsseln, darunter Geopolitik, territoriale Streitigkeiten und internationale Konflikte.