Inwiefern ist Ernährung ein philosophisches Problem?
Ludwig Feuerbach und Friedrich Nietzsche als Relativierungsdenker
Abstract
Traditionell gelten Fragen der Ernährung nicht als seriöse philosophische Fragen: Dem reinen Geist darf demnach die physische Ernährung des von ihm temporär bewohnten Körpers herzlich gleichgültig sein. Im 18. und im 19. Jahrhundert wandelt sich allerdings das Bild: Mit der Problematisierung des Leib-Seele-Dualismus wird diese Gleichgültigkeit in Ernährungsfragen selbst zweifelhaft. Ludwig Feuerbach und Friedrich Nietzsche benutzen die für Philosophen scheinbar so abseitige Frage nach der Ernährung zu einer gezielten Destabilisierung philosophischer Grundüberzeugungen: Ludwig Feuerbach tut dies, um eine materialistische Ontologie an die Stelle einer idealistischen zu setzen und egalitär-demokratische Folgerungen zu ziehen. Friedrich Nietzsche hingegen stellt Ontologie jedweder Ausrichtung zur Disposition und individualisiert die Ernährungsfrage radikal, um damit ein Exempel seines moral- und seines auto-genealogischen Verfahrens zu geben und zugleich elitäre Selbst-Selektion zu propagieren. Beide Denker reflektieren auf die angemessene Ernährung, um philosophische Wahrheits- und Geltungsansprüche insgesamt zu relativieren. Sie geben Beispiele einer neuen philosophischen Relativierungskunst