»… Ein Krankhafter Zustand Des Geldmarktes.«: Die Finanzkrisen von 1873 und 2007/08 im Vergleich
Abstract
Gerhard Senft vergleicht die gegenwärtige Finanzkrise mit dem Wiener Börsenkrach von 1873, ein Vergleich, der nach Senft erhellender ist als die heute übliche Bezugnahme auf die Folgen der Wirtschaftskrise von 1929. Die Parallelen sind tatsächlich verblüffend. Damals wie heute brach die Krise nach einer extremen Boom-Periode aus, die in der Gründerzeit vor allem durch die Bauwirtschaft, in der jüngeren Vergangenheit hingegen durch die Informationstechnologie getragen wurde. In beiden Fällen war die Kontrolltätigkeit des Staates jeweils sukzessiv zurückgenommen worden. Die Finanzkrise von 1873 hatte jedoch, wie Senft betont, nicht nur wirtschaftliche Folgen, sondern leitete auch in geopolitischer Hinsicht gravierende Verschiebungen ein. Denn seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beginnt der Aufstieg USA als neue Führungsmacht in der Weltpolitik. Vieles deutet nach Senft darauf hin, dass auch die gegenwärtige Finanzkrise zu einer Veränderung der weltpolitischen Machtkonstellation führen wird, in der vor allem China und Indien, die sich in der Vergangenheit vehement gegen eine Liberalisierung der Kapitalmärkte gesträubt haben, eine neue Führungsrolle in der Gestaltung der globalen Märkte übernehmen werden.