Abstract
Sehr oft wurde Diltheys Philosophie als relativistischer Historismus oder sogar als Irrationalismus kritisiert. Aber das Ziel seines philosophischen Denkens war die Begründung eines „realistischen Systems“, wie er in einer späten Vorlesung erklärte. Wir sehen in seinen Vorlesungen und Entwürfen aus seinem Nachlass, dass er immer gegen radikalen Skeptizismus und Subjektivismus in den Wissenschaften argumentierte. In verschiedenen Anläufen versuchte er zu zeigen, dass die Geistes- und Naturwissenschaften nicht bloße Konstruktionen, sondern fähig sind, die Erscheinungen der inneren sowohl als der äußeren Welt zu erkennen. Wir können seine philosophische Intention „kritischen kognitiven Realismus“ nennen. Er entfaltete sein Denken in ständiger Auseinandersetzung mit den Hauptpositionen der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie seiner Zeit, besonders mit Kantianismus und Positivismus.