Abstract
Dass Georg Philipp Harsdörffers Seelewig-Libretto als eines der ersten geistlichen Schäferspiele deutscher Sprache einer dezidiert allegorischen Gattung angehört, gilt der Harsdörffer-Forschung weithin als unstrittig. Demgegenüber versucht der vorliegende Beitrag zu zeigen, dass der Text ein hermeneutisches Doppelspiel initiiert, dessen Regeln zwar einerseits eine allegorische Entzifferung des Geschehens erzwingen, diese aber zugleich unmöglich machen. In der Projektion dieser Aporie auf den jesuitischen Prätext der Seelewig, zu dem das Schäferspiel eine komplexe Spiegelrelation unterhält, dementiert und demontiert es dessen ›autoexegetische‹ Programmatik ebenso, wie es die Möglichkeit einer bruchlosen Allegorese im Grundsatz in Frage stellt.