Abstract
Alles Nachdenken einer christlich inspirierten Philosophie zur Armut beginnt mit dem programmatischen Satz Jesu: »Denn wo euer Schatz ist, da ist euer Herz«! Illustriert wird das durch die neutestamentliche Erzählung vom reichen Jüngling, der auf der Suche nach dem letzten Ziel des Lebens auf Jesus und den Gedanken der Nachfolge stößt: »Da ging er traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen «. Schon hier beginnt das Missverständnis, geht doch der junge Mann vorschnell von dannen, bevor er den Rest der Worte Jesu hört: »Du wirst einen Schatz im Himmel haben!« Es geht nämlich nicht einfach um Verlust oder Gewinn, sondern um endgültig bleibenden Gewinn. Es geht nicht um Reichtum und Armut an sich, es geht in gut platonischer Tradition um das Ziel des Denkens und Handelns, letztlich des menschlichen Lebens: Wozu ist der Mensch auf Erden? Wozu taugen die irdischen und vergänglichen Güter? Lässt sich das unvergängliche Gut des ewigen Lebens durch den Erwerb oder wenigstens die indifferente Nutzung der vergänglichen Güter erreichen? Im Begriff der Armut und zugespitzt im Denken der frühmittelalterlichen franziskanischen Theologie, etwa bei Alexander von Hales, Bonaventura, Johannes Olivi, Duns Scotus und später Wilhelm von Ockham, bündeln sich bedeutsame Stränge philosophischer und ethischer Traditionen mit explizit christlichem Hintergrund.