Abstract
ZusammenfassungDie jüngere Forschung zur Sozialgeschichte der Gesundheit und Medizin im kolonialen Indien hat sich jenseits spezifischer hegemonialer Aspekte der imperialen Medizin mittlerweile verstärkt der Bedeutung ihrer indischen Vermittler und der gebrochenen Natur kolonialer Herrschaft zugewandt. Davon inspiriert beleuchtet der Beitrag die Rolle indischer Subalterner im System der Krankenhäuser für Geschlechtskrankheiten der Provinz Madras im 19. Jahrhundert. Er fokussiert auf die so genannten „Gomastah“, eine Klasse von indischen Untergebenen, die zur Aufdeckung der illegalen Prostitution in Madras eingesetzt wurden, um so die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten zu verhindern. Untersucht wird auch die Rolle anderer einheimischer und nicht einheimischer Untergebener wie der Dhais, Chowdranies und Matrons, die für die reibungslose Umsetzung desContagious Diseases Actund das alltägliche Funktionieren dieser Krankenhäuser unverzichtbar waren. Indem herausgearbeitet wird, wie indisches Kastendenken in die koloniale Gouvernementalität einfließen konnte und so koloniale Vorurteile und Xenophobie stärkte, unterstreicht der Artikel die Tatsache, dass es keine einseitige Aneignung oder Vermittlung kolonialen Wissens und kolonialer Vorannahmen durch die kolonisierten Vermittler gab. Argumentiert wird vielmehr für deren Interaktion, betont wird die komplexe Bedeutung des Kastensystems und seiner Vorurteile für das alltägliche koloniale Regierungshandeln. Zudem befasst sich der Beitrag mit dem daraus resultierenden Chaos und den inhärenten Machtkämpfen zwischen verschiedenen Gruppierungen des kolonialen Personals.