Abstract
Spätestens seit es in der Kunst außer Mode kam, das Wort Schönheit einzusetzen, begannen die Physiker, ihre Arbeitsergebnisse schön zu nennen. Sie sagen z.B.: Wenn eine Theorie schön ist, so
spricht das für die Wahrheit der Theorie. Und sie streben nach schönen Experimenten. Was ist damit gemeint? Definieren lässt sich dieser Begriff genauso wenig wie für Kunstwerke. Daher erläutere ich ihn anhand optischer Experimente Newtons, Goethes und aus neuerer Zeit. Man kann z.B. zeigen, dass die Weißsynthese des Desaguliers schöner ist als Newtons Weißsynthese und dass den vielfältigen Farbsynthesen des Wiener Malers und Farbexperimentators Ingo Nussbaumer noch höherer ästhetischer Wert zukommt. Aus alledem ergibt sich eine tentative Liste von Kriterien (die sich freilich nicht in einen idiotensicheren Bewertungs-Algorithmus einspeisen lassen, sondern Urteilskraft verlangen): Sauberkeit, Einfachheit, intellektuelle Klarheit und Symmetrie sind Merkmale schöner Experimente – und diese Merkmale sind z.B. auch bei der ästhetischen Beurteilung mancher (wenn auch nicht aller) Musikstücke relevant. Daher liegt es nahe zu vermuten, dass sich unsere ästhetische Urteilskraft – in so verschiedenen Bereichen wie Optik und Musik – verwandter begrifflicher Werkzeuge bedient.