Abstract
Da mittelalterliche Denker Gottes Wissen der Welt vorwiegend als ein praktisches, auf Fürsorge gründendes Wissen begriffen, können die freien künftigen menschlichen Taten nicht als prinzipiell unwißbar ausgeschlossen werden. Gottes praktisches Wissen des kontingenten Zukünftigen gründet für Duns Scotus auf seinem faktisch unwandelbaren Willensentschluß und ist daher nur insofern kontingent, als es kontrafaktisch anders hätte sein können. Ockham verwirft solche irrealen Alternativen gleichzeitig zum Faktischen, da die Eigenart willentlicher Verursachung auch ohne solche hohen "ontologischen Kosten" erklärbar sei: Anders als eine Naturursache könne die freie Ursache ohne gewandelte Bedingungen im nächsten Augenblick anderes wirken. Innerhalb allein der wirklichen Welt ergeben echte Gegenwartsaussagen angesichts der Irreversibilität des Geschehenen hinfort notwendige Vergangenheitsaussagen. Aussagen über göttliches Vorauswissen seien hingegen nur oberflächengrammatisch Gegenwartsaussagen, sachlich jedoch kontingent, da ihre Geltung von einem kontingenten Zukünftigen abhänge, wenngleich unwandelbar, weil jede Zukunftsaussage, falls wahr, unveränderlich wahr sei . Bei Unwandelbarkeit aber läßt sich Kontingenz kaum anders als mit der Skotischen Konzeption gleichzeitiger irrealer Möglichkeiten erklären: Gott hätte das faktisch stets Gewußte niemals zu wissen brauchen