Abstract
In den Vorwürfen der Verbreitung von ‚Fake News‘, denen die Massenmedien derzeit ausgesetzt sind, und in deren Abwehr durch Vertreter der Massenmedien werden wir Zeugen einer Moralisierung der Massenmedien: nämlich als ‚Lügenpresse‘ oder im Gegenteil als Hüter der Wahrheit. Ihre eigentliche politische Funktion haben Massenmedien allerdings eher in der politischen Deliberation, die nicht auf Information zu reduzieren ist. Der Artikel untersucht, welche Folgen eine moralisierende Aufwertung von ‚Wahrheit‘ als eigentlichem Geschäft der Massenmedien für die Prozesse der politischen Deliberation hat, die nicht in Moralität, sondern in Normativität den ihnen adäquaten Geltungstypus finden. Abschließend wird eine Gegenwartsdiagnose skizziert, die nicht Postfaktizität, sondern Postnormativität als Kernproblem gegenwärtiger politischer Kommunikationsprozesse ausmacht.