Abstract
Charles Darwin und seine Erben wendeten die Theorie der Evolution biologischer Arten auch auf Kultur an. Kultur evolviere wie die Natur auf Darwinistische Weise. Die sog. Memtheorie, vertreten von verschiedenen Autoren auf der Basis des Darwinistischen Genselektionismus, ist eine Spielart einer solchen analogen Anwendung. Dieser Artikel kritisiert drei zentrale Aussagen der Memtheorie: (i) dass es Einheiten der Kultur – Meme – gibt, die analog zu Genen zu verstehen sind, (ii) dass Meme, in Analogie zu Genen, Replikatoren sind, und (iii) dass Meme als Einheiten der kulturellen Selektion auf die gleiche Art wie Gene 'egoistisch' sein können. Nach einer Einführung in die Memtheorie in Teil 1, werden diese drei Thesen in Teil 2 als entweder falsch oder trivial entlarvt. Dieser kritische Teil soll vor allem zeigen, dass die Memtheorie keine 'gefährliche Idee' ist, die das bisher in den Geistes- Kultur- und Sozialwissenschaften tradierte Verständnis von Geist und Kultur herausfordern kann. Im Gegenteil, im besten Fall re-formuliert die Memtheorie lediglich Bekanntes in evolutionärer Sprache und ist in diesem Sinne trivial. In Teil 3 wird die Perspektive gewechselt: Nicht mehr der Gehalt, sondern die Funktion der Memtheorie, v.a. im Kontext interdisziplinärer Verständigung, soll betrachtet werden. Denn trotz der Kritik der drei Kernthesen kann die Memtheorie eine kommunikative und somit produktive Rolle zwischen den 'zwei Kulturen' der Wissenschaften spielen.