Abstract
Die neuere Fichteforschung interpretiert Fichtes Konzeption der intellektuellen Anschauung nahezu ausschließlich bewusstseinstheoretisch, besonders mit Blick auf das Problem des Selbstbewusstseins in der Philosophie des Geistes. Dabei wird übersehen, dass der Begriff der intellektuellen Anschauung für Fichte vor allem eine – dem Selbstverständnis der „Wissenschaftslehre“ entsprechende – erkenntnistheoretische Funktion hat. Mit ihm versucht Fichte zu zeigen, wie ein spezifisches Wissen a priori für ein einzelnes Subjekt möglich ist, indem er den Zugang zum philosophischen Wissen in der intellektuellen Anschauung verortet. Fichtes Konzeption der intellektuellen Anschauung sollte daher mit Blick auf jüngere Diskussionen eher in den Kontext der erkenntnistheoretischen Frage nach der Möglichkeit apriorischer Rechtfertigung bzw. der metaphilosophischen Fragen nach der Möglichkeit und dem Status philosophischen Wissens gestellt werden. Der Vortrag gibt einige Überlegungen zu einer solchen Kontextualisierung.