Abstract
Das Thema dieses Bandes ist die Frage, ob die Wissenschaftstheorie eine normative
Disziplin ist. Zunächst überrascht die Frage, denn für viele Wissenschaftstheoretiker ist die
Antwort ein klares „Ja“; sie halten es für einen Allgemeinplatz, dass die Wissenschaftstheorie
ein normatives Unternehmen ist.
Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass die Frage unterschiedliche
Interpretationen zulässt, die einzeln diskutiert werden müssen. Dies geschieht im ersten
Abschnitt. Im zweiten Abschnitt suchen wir nach möglichen Erklärungen dafür, warum die
Wissenschaftstheorie bisher bei dem Projekt, eine allseits akzeptable Methodologie
wissenschaftlichen Schließens zu formulieren und zu begründen, so wenig Erfolg hatte. Eine
mögliche Erklärung für den ausbleibenden Erfolg ist der Partikularismus, wonach Methoden
keine allgemeine, sondern nur eine lokale, bereichsabhängige Gültigkeit haben. Im dritten
Abschnitt wollen wir an Hand des Bayesianismus zeigen, dass die Methodologie doch nicht
so schlecht da steht, wie es zunächst den Anschein hat. Der Bayesianismus ist für viele
Wissenschaftstheoretiker der aussichtsreichste Kandidat für eine allgemeine Theorie
induktiven Räsonierens. Wir besprechen seine Vorzüge, stellen aber auch dar, welche
Konzessionen er an den Partikularismus machen muss.