Abstract
Lukács hat einst provokativ auf seine Frage „Was ist der orthodoxe Marxismus“ geantwortet, dass er in einer bestimmten Methode bestehe. Was aber wenn wir heute fragen, worin orthodoxe kritische Theorie besteht? Meine Antwort ist hierbei nicht eine bestimmte Methode, aber dafür nicht weniger provokant. Was die kritische Theorie kritisch macht ist auch nicht – trotz der vorherrschenden Meinung – ein Begründungsprogram. Im Gegenteil, nur ohne ein Begründungsprogram ist kritische Theorie angemessen kritisch. Ich umreiße meine Antwort mit Rückgriff auf Horkheimers Schriften der ’30er Jahre. Das vorgebrachte Verständnis der kritischen Theorie ist orthodox auch in einem weiteren Sinn: darin, dass es ein bestimmtes Interesse – das Interesse an der Abschaffung von Unrecht, Elend, und Unfreiheit – als konstitutiv für kritische Theorie erachtet, und somit, obwohl nicht religiös, doch etwas mit Strenggläubigkeit zu tun hat. Dieser Ansatz wird zum Schluss skizzenhaft auf die Idee der Sozialpathologie angewendet.