Abstract
Gerade unter den Gesichtspunkten von Freiheit und Subjektivität zeigen sich in der Moderne grundlegende strukturelle Beziehungen zwischen Literatur und Religion. Die Sinn-Erfahrungen, die sich in Literatur und Religion immer nur ästhetisch realisieren, ästhetisch realisieren müssen, können einander sehr nahekommen. Denn auch Religionen sind wesentlich ästhetische Systeme. Ihre Reichweite und ihre Wirksamkeit hängen entscheidend von ihrer Ästhetik ab. Religiöse Erfahrung und ästhetische Erfahrung auf dem Gebiet der Kunst sind seit dem 18. Jahrhundert nicht immer leicht zu trennen. Religion wie Kunst sind kulturgeschichtlich grundlegende, ‚gepflegte‘ Artikulationen. Der enge Zusammenhang zwischen Religion und Kunst ist also gar nicht zufällig und muss sich keineswegs immer als Konkurrenzverhältnis darstellen, auch nicht in der Moderne. Der Aufsatz versucht, diese These vor allem mit theoretischem Bezug auf Hans Joas, Charles Taylor, Martin Riesebrodt und Matthias Jung zu entwickeln und an einem Gedicht Stefan Georges zu veranschaulichen.