Abstract
Am Beispiel der im dritten Teil der Abhandlung über die Methode entworfenen "provisorischen Moral" soll gezeigt werden, wie Descartes den Versuch unternimmt, die zwei wichtigsten zeitgenössischen Denkanstöße, die mechanistische Philosophie und die traditionelle christliche Moral, zu Ende zu denken, ihren Gegensatz scharf hervorzuheben und sie miteinander zu versöhnen. Die Analyse des Sinns der Vorläufigkeit, des Vorwurfs des Konformismus, der traditionellen Unterscheidung von Negation und Privation - auch mit Blick auf ihre weitere Entwicklung im Briefwechsel zwischen Spinoza und Blyenbergh - führt zu dem Ergebnis, daß der Versöhnungsversuch, dessen Ziel die Ausarbeitung einer "definitiven" Ethik war, am Ende gescheitert ist. Descartes leitet eine Ära ein, in der nach Maßstäben und Beweggründen nur noch innerhalb einer provisorischen Ethik - dessen wahrer Gegensatz eine providenzielle Ethik ist - Ausschau gehalten werden kann