In Uwe H. Bittlingmayer, Alex Demirović & Tatjana Freytag (eds.),
Handbuch Kritische Theorie. Springer Fachmedien Wiesbaden. pp. 1043-1075 (
2019)
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Abstract
Arbeiterbewegung und kritische Theorie der Gesellschaft stehen in einer ambivalenten Beziehung aus Nähe und Distanz, Kooperation und Konflikt, Verständigung und Verständnislosigkeit, wechselseitiger Anerkennung und Negation. Die Gewerkschaften verbinden mit Reflexion im Referenzrahmen der Kritischen Theorie die Erfahrung und die Erwartung erweiterter Möglichkeiten des Verstehens gesellschaftlicher Prozesse und der Orientierung gewerkschaftlichen Handelns – zugleich aber auch der Überforderung durch ihre Analysen und Postulate. Innerhalb der Kritischen Theorie scheint bis heute unentschieden, wie weit in der Perspektive gesellschaftlicher Emanzipation die Gewerkschaften Teil der Lösung oder Teil des Problems oder ob sie überhaupt von Interesse sind. Arbeiterbewegung und Kritische Theorie haben in der Auseinandersetzung mit sich selbst und dem jeweils anderen dabei als gemeinsamen Bezugspunkt nicht nur die Verarbeitung der politischen Niederlagen und enttäuschten Hoffnungen in historischen Schlüsselsituationen des 20. Jahrhunderts, sondern tragende übereinstimmende Motive.Der Beitrag zeichnet Überscheidungen und Abgrenzungen, aber auch das Motiv nach, arbeitet die gemeinsamen Motive heraus und argumentiert, dass beide in der Verfolgung ihrer Intentionen aufeinander verwiesen sind. Dabei geht es auch um die Frage, welche neueren Ansätze und Perspektiven, die aus dem Strömungszusammenhang der Kritischen Theorie hervorgegangen sind oder sich mit ihren Motiven verbinden lassen, heute für den Organisationszusammenhang der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, soweit sie an Kritik und Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse festhält, im Sinne theoretischer Konkretion und praktischer Nutzbarkeit von besonderer Bedeutung sind. Den Abschluss bilden Überlegungen zu einer normativ-kritischen Theorie der Gewerkschaften.